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Verstehen, wie der Himmel auf Erden sichtbar wird

Walter Klimt im Interview zum Bund der Baptistengemeinden in Österreich  

Wie verändert der christliche Glaube Menschen und ihr Leben?

Der Mensch ist von Natur aus religiös, und es tut ihm gut, wenn er in die Beziehung mit Gott tritt. Heiligung von Menschen hat für mich viel mit Persönlichkeitsbildung zu tun: Menschen, die sich von Gott verändern lassen, werden „schön“. Es gibt so viele Beispiele, wo Menschen nicht mehr weiter wussten oder mit ihrer Schuld nicht zurechtkamen und wo sie durch Gott Befreiung und Kehrtwendungen erlebten. Auf der anderen Seite kenne ich Menschen, die auch ohne Glauben bereits sehr Gutes erleben. Für sie ist es grandios, Gott gegenüber dankbare Menschen zu werden. Christus begegnet jedem Einzelnen so, wie er es braucht. Den richtigen Bezug zu bekommen zu Gott, zu den Menschen, zur uns anvertrauten Schöpfung und zu uns selbst, das ist christlicher Glaube.

Was begeistert dich am Bund der Baptistengemeinden am meisten?

Die jungen Menschen, die voll neuer Ideen sind und mehr und mehr in Leitungspositionen gelangen. Es sind einzelne Personen, die unglaublich viel verändern. Oft haben sie bei einem Einsatz auf einem anderen Kontinent eine weite Sicht davon erhalten, was Gott zwischen Menschen bewirken möchte und dass sein Reich auf Erden mehr bedeutet als persönliches Heil. Und es begeistert mich, dass immer neue Gemeinden entstehen und der Bund wächst.

Was zeichnet die Baptistengemeinden Österreichs aus?

Dass sie trotz Unterschieden und Selbstständigkeit das Gemeinsame suchen. Es gibt familiäre Gemeinden, dynamische oder solche, in denen es eher ruhig zugeht. Die Spannung zwischen Bodenständigkeit und Vision darf sein. Man darf auch unterschiedliche theologische Erkenntnisse haben. Und das sollte meiner Ansicht nach auch die Aufgabe der Theologie sein: Erkenntnisse ins Gespräch zu bringen und gemeinsam zu hinterfragen.

Welches Angebot erwartet Interessierte?

Allen Gottesdiensten gemeinsam ist sicherlich der bewegliche Ablauf und der freundliche Rahmen. Kinder und ihr eigener Gottesdienst spielen eine große Rolle. Ich bin jedes Mal aufs Neue gespannt, wie wir Gott erleben werden. Ich freue mich auf die fantastischen Predigten und die Musik, die mir hilft, meinen Schöpfer anzubeten. Und was wäre ein Gottesdienst ohne anschließendes Kirchencafé, Essen und großartige Gespräche! Darüber hinaus reicht das Angebot von Seelsorge über helfende Dienste zu Hauskreisen und seit neuestem „Wohnzimmer-Worship“. „Worship“ bezeichnet hier Anbetung mit Musik.

Welche jüngsten Entwicklungen bereiten dir Freude?

Dass sich unsere fremdsprachigen Gemeinden stark im Bund beteiligen. Und als gesamter Bund wiederum können wir in internationaler Missionstätigkeit einen wichtigen Beitrag leisten, nicht nur in Form von Spenden: Internationale Konferenzen finden bei uns statt, weil Leitende aus Mission und Diakonie von uns lernen möchten. Es begeistert mich, dass wir Angestellte in der Flüchtlings- und Integrationsarbeit haben. Dass wir uns in der Entwicklungshilfe im In- und Ausland einbringen und so immer besser verstehen, wie Gottes Reich als Stück vom Himmel auf Erden sichtbar wird und Lebensumstände verändert. Es freut mich auch, dass wir eine Brückenfunktion in der christlichen Landschaft wahrnehmen, weil wir die freikirchliche Stimme überall als wichtig erachten. So haben wir 2010 die Vereinigung der „Freikirchen in Österreich“ als Ziel formuliert. Und das nun in so kurzer Zeit als Wirklichkeit zu erleben, bewegt mich.

Hintergründe

Die Baptisten, übersetzt die Täufer, gingen aus dem linken Flügel der Reformation hervor.

Von Anbeginn setzten sie sich für Glaubens-, Religions- und Gewissensfreiheit ein „Sollen sie Ketzer, Türken, Juden oder sonst etwas sein." - so Thomas Helwys im ältesten englischsprachigen Zeugnis von Menschenrechten 1612 in England, weil „der König nicht alles bestimmen kann und darf.“ Jeder Mensch „ist frei zu entscheiden, zu wechseln, zu verlassen“ – 1609 John Smith in Amsterdam. 1636 gründete Roger Williams die zweite Kolonie Rhode Island mit diesen Menschenrechten in ihrer Verfassung. Wirklich errungen wurde diese Trennung von Kirche und Staat, die Gott sei Dank heute in vielen Teilen dieser Welt selbstverständlich ist, gemeinsam mit dem Präsidenten Thomas Jefferson in Virginia.

1786 gründete William Carey die erste baptistische Weltmissionsgesellschaft in England. Er gilt als der Begründer der modernen Weltmission, jenseits von Kolonialismus und Bekehrung durch das Schwert. Er war Missionar und Menschenrechtler in einem. In diesen Traditionen standen später Dr. Martin Luther King jr, Billy Graham u.v.m.

Die erste Versammlung in Wien fand 1845 statt. Polizeiliche Auflösungen, Zwangstaufen etc. gehörten hier mit zum Alltag. 1869 regelt das Gesetz in Österreich den Übertritt von einer Kirche oder Religionsgesellschaft zur anderen, in dieses Jahr fällt die Gründung der ersten Wiener Baptistengemeinde. Wie stark Verkündigung, Diakonie und Prophetie als die eine Mission zusammengehören, zeigte Pastor Arnold Köster, der während der gesamten Naziherrschaft regimekritisch predigte und dessen Gemeinde vielen verfolgten Juden half.

Heute gehören die Baptisten mit rund 120 Millionen Menschen zu den weltweit größten protestantischen Kirchen.

Link: Bund der Baptistengemeinden in Österreich