Vergangenen Freitag, 24.Oktober 2025, fand mit dem internationalen Symposium im Stephanisaal des Curhauses am Stephansplatz ein weiterer Höhepunkt des Täuferjubiläumsjahres statt. Unter dem Motto „Gegen den Strom“ referierten herausragende Persönlichkeiten der Täuferforschung aus fünf unterschiedlichen Ländern. Zur abschließenden Podiumsdiskussion war neben einem Professor der Evangelischen Theologischen Fakultät und einem Kirchenkritiker auch die Empfängerin des diesjährigen SOS- Mitmenschen-Preises für Zivilcourage zu hören. Organisiert wurde das Symposium von den Freikirchen in Österreich (FKÖ) und dem „Arbeitskreis Geschichtsaufarbeitung“ vom Runden Tisch/Weg der Versöhnung.
Prof. DDr. Martin Rothkegel, Professor für Kirchengeschichte der Theologischen Hochschule Elstal/Deutschland, zeichnete ein anschauliches Bild der nonkonformen Interpretation der Täufer wie Kirche gelebt werden sollte, in dem er parochiale und separatistische Modelle von Kirche einander gegenüberstellte. Rothkegel beschrieb die Einstellung der Täufer gegenüber der damaligen Staatskirche als zuhöchst kritisch: Diese befände sich unter der Herrschaft des Antichristen und deren Kleriker unter dem Einfluss Satans. Auf mehreren Ebenen positionierten sich somit die Täufer klar gegen die Staatskirche, was eine rasch einsetzende Verfolgung auslöste, die einerseits zur Ausbreitung der täuferischen Bewegung und andererseits zur Schaffung von Netzwerken und Zufluchtsorten führte, die den Austausch zwischen den sich bald als Brüder bezeichnenden Täufer förderten.
PhDMgr. Jana Valtrová, Professorin für Religionswissenschaften an der Masaryk Universität in Brünn/Tschechien und ihre Kollegin, Mgr. Andrea Štěpánková, Ph.D., beleuchteten die Entwicklung der Täufersiedlungen in Südmähren im 16. und 17. Jahrhundert und präsentierten neben Forschungsergebnissen auch die von ihnen entwickelte Datenbank, mit deren Hilfe rasch Orte, Namen und Zeitpunkte wichtiger Ereignisse der Täufergeschichte Südmährens (auf Rückfrage aus dem Publikum leider nicht darüber hinaus) miteinander in Verbindung gebracht werden können.
Emmy Maendel, Archivarin des historischen Archivs der Bruderhofgemeinschaft vom Bruderhof New York/USA, führte die Anwesenden nach einem bedrückenden Einblick in die, im 16. Jahrhundert mit Ertränkung, bestraften täuferischen Frauen zurück in die Gegenwart. Noch heute lebt die täuferische Gemeinschaft der Hutterer in einer Gütergemeinschaft, innerhalb der die Aufgaben zwischen Männern und Frauen klar geregelt sind. Sie hob hervor, dass die gelebte Tradition gerade in der heutigen Zeit den Mitgliedern der Hutterischen Gemeinschaft Sicherheit gebe und die Pflege der Nachbarschaftsbeziehungen einen hohen Stellenwert innehabe.
PhDr. Petr Peňáz, ebenfalls an der Masaryk Universität in Brünn/Tschechien tätig, beschrieb, inwieweit die Nachforschungen rund um den Venezianer Marcantonio Varotto, der auf seinen Reisen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten der Täuferbewegung in Kontakt kam, dazu beitrugen, ein Bild von der Heterogenität der Konfessionen zur Zeit der Reformation zu erhalten. Zuletzt von der Heiligen Inquisition zum Tode durch Erhängung und anschließender Verbrennung verurteilt, hinterließ der Venezianer gut dokumentierte Reisen und Aussagen, was maßgeblich dem Verständnis der Entwicklung der Täuferbewegung während der Zeit der Reformation half.
Ing. Reinhold Eichinger, Gründungsmitglied der Freikirchen in Österreich und u.a. Obmann des Hutterischen Geschichtsvereins, machte sich für eine gesunde Erinnerungskultur stark, welche in erster Linie „beschreibt, wie Gesellschaften mit ihrer Vergangenheit umgehen“. Sie träge zur Bildung von kollektiver Identität und zum Lernen aus der Geschichte bei. Das kostbare Erbe der Täuferbewegung müsse bei den Freikirchen stärker ins Bewusstsein treten. Eichinger stellte unterschiedliche Orte vor, an denen sich Täufergeschichte bereits visuell manifestieren konnte: die Gedenktafel an Balthasar Hubmaier am Stubentor/Wien, jene an Konrad Grebel, der zwischen 1515 -1518 in Wien studierte und als erster Glaubenstäufer der Neuzeit zum Vorläufer der freikirchlichen Bewegung wurde, oder auch die beeindruckende Errichtung der Galeere auf der Weinviertler Burgruine Falkenstein. Diese erinnert an die 150 Täufer, die damals in der Burg inhaftiert und zum Großteil 1540 zur Gallerenstrafe verurteilt wurden, was im Grunde genommen einer besonders grausamen Todesstrafe glich. „Die Besinnung auf die eigenen Wurzeln und der Mut, nicht mit sondern auch gegen den Strom zu schwimmen, sind wichtige Elemente der Freikirchen in der heutigen Zeit.“
Als krönender Abschluss des Symposiums fand mit Prof. Dr. Philipp Pilhofer von der Evangelischen Theologischen Fakultät der Universität Wien/Österreich, Mag. Dr. Robert Hochgruber vom Hutterer Arbeitskreis in Tirol und Südtirol, Brixen/Italien und dem Überraschungsgast Frau Ilkay Idiskut, einer medial bekannten Volkschullehrerin, eine Podiumsdiskussion statt. Das „nonkonformistische Zeugnis“ als Vermächtnis für die Freikirchen heute wurde unter der Moderation von Pastor Dietrich Fischer-Dörl MSc von unterschiedlichen Seiten beleuchtet, die Wichtigkeit der Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln hervorgehoben und Verbesserungspotential im Hinblick auf die Sensibilisierung der Freikirchen für dieses nonkonformistische Vermächtnis eingeräumt.
Auf die abschließende Frage hin, wie Ilkay Idiskut, die als Protagonistin des auf der Berlinale vorgeführten und zur Eröffnung der Diagonale`24! gezeigten Films „Favoriten“ mit dem SOS-Mitmenschen-Preis für Zivilcourage ausgezeichnet wurde, nun als Volkschullehrerin zu der aktuellen Thematik des Kopftuchverbots stehe, meinte diese, dass sie viele Mädchen kenne, die sich sehr unwohl fühlen würden, wenn sie ihr Kopftuch ablegen müssten. Als Pädagogin forderte sie dazu auf, dort, wo eine Lehrkraft den Zwang ein Kopftuch zu tragen von Elternseite orte, aktiv „in die Familien hineinzuschauen“. Denn „dort gibt es oft nicht nur den Zwang ein Kopftuch tragen zu müssen, sondern viel größere Probleme, wie beispielsweise Gewalt.“ Zu überlegen sei, wie man diese Familien erreichen und die sogenannten „Sittenwächter“ zu jungen Menschen heranwachsen lassen könne, dass diese auch einen guten Platz in unserer Gesellschaft fänden und nicht ein generelles Verbot des Kopftuches.
Abgerundet durch zwei Pausen mit privaten Kuchenspenden und gesponserten Backwaren der Firma Ströck sowie Fingerfood mit selbstgemachten Aufstrichen vom Bruderhof, ging das Symposium schließlich zu Ende, doch auch nach der Verabschiedung konnten sich so manche nicht schnell von der Thematik lösen.
„Es waren hochkarätige Vorträge, interessante Einsichten und spannende Einzelgeschichten“, freut sich Pastor Peter Zalud, derzeitiger Vorsitzender der Freikirchen in Österreich, und der ebenfalls anwesende Leiter des Referats für Angelegenheiten der Evangelischen Kirche des Kultusamtes, Herr Dr. Martin Fischer, bedankte sich für die informative Veranstaltung.